Die Goldene Brücke & das Selbstkonzept im Konfliktmanagement

Konflikte gehören zum Projektalltag – unterschiedliche Interessen, knappe Ressourcen und wechselnde Prioritäten führen zwangsläufig zu Reibung. Erfolgreiche Projektmanager bereiten sich nicht nur fachlich, sondern auch psychologisch auf solche Situationen vor. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Selbstkonzept des Konfliktpartners sowie die Fähigkeit, eine Goldene Brücke zu bauen.
Beides sind wirkungsvolle Mittel, um Stakeholder abzuholen, Widerstände abzubauen und Konflikte lösungsorientiert zu moderieren.
Das Selbstkonzept – wie Menschen sich selbst sehen
Das Selbstkonzept beschreibt, wie ein Mensch sich selbst wahrnimmt. Es ist häufig nicht rational geprüft, wird aber durch eigenes Verhalten immer wieder bestätigt.
Beispiele aus dem Alltag:
- „Ich kann nicht gut zeichnen.“
- „Mit Computern kann ich nicht gut umgehen.“
- „Ich kann nicht gut erklären.“
Solche Sätze führen dazu, dass man sich weniger anstrengt, weniger übt und damit den eigenen Glaubenssatz bestätigt.
Das gilt ebenso für positive Selbstkonzepte:
- „Ich habe ein gutes technisches Verständnis.“
- „Ich bin ein guter Redner.“
- „Ich bin besonders analytisch.“
Erkennt der Projektmanager solche Selbstbeschreibungen beim Gegenüber, kann er sie nutzen – nicht manipulativ, sondern konstruktiv. Denn Menschen handeln gerne im Einklang mit ihrem Selbstbild.
Die Goldene Brücke – Konflikte ohne Gesichtsverlust lösen
Wenn ein Konflikt absehbar ist, hilft es, dem Stakeholder einen Weg zu eröffnen, seine Position zu verändern, ohne Ansehen oder Status zu verlieren.
Diese Lösung nennt man eine Goldene Brücke.
Das Vorgehen ist immer ähnlich:
- Selbstkonzept des Gegenübers identifizieren
- Ein alternatives Handlungsangebot schaffen, das dieses Selbstkonzept stärkt statt bedroht
- Den Rückzug aus der alten Position ermöglichen, ohne Druck und ohne Gesichtsverlust
Praxisbeispiele aus dem Projektalltag
Szenario 1: Der „hervorragende Anführer“ übernimmt zu viele Aufgaben
Ein (Teil-)Projektmanager möchte Aufgaben an sich ziehen, die offiziell im Fachbereich liegen.
Durch die Zusammenarbeit ist bekannt: Er hält sich für einen exzellenten Anführer.
1. Selbstkonzept: hervorragender Anführer
2. Goldene Brücke: Seine Führungsstärke wird an anderer, strategisch wichtiger Stelle benötigt
3. Konfliktgespräch:
Der Projektmanager erklärt, dass die Aufgabe beim Fachbereich bleibt. Dann wird dem Kollegen ein Angebot gemacht, das sein Selbstkonzept stärkt:
- „Ihre Führungsqualitäten sind uns aufgefallen. Wo wurden in der Vergangenheit Aufgaben nicht optimal ausgeführt?“
- „Könnten Sie einen Verbesserungsvorschlag entwickeln, der dem Projekt und dem Fachbereich hilft?“
Der Kollege kann sein Bedürfnis nach Führung erfüllen – nur in einem Bereich, der dem Projekt wirklich dient.
Szenario 2: Der Vielredner – fachlich stark, kommunikativ dominant
Ein Stakeholder verfügt über großes Fachwissen und dominiert Projektmeetings. Dadurch werden andere Teammitglieder gehemmt.
1. Selbstkonzept: hohe intellektuelle Kompetenz
2. Goldene Brücke: Sein Wissen kommt besser zur Geltung, wenn es strukturiert eingesetzt wird
3. Konfliktgespräch:
Der Projektmanager definiert klare Gesprächsregeln:
- Der Vielredner eröffnet das Meeting mit einer kurzen Ist-Analyse
- Anschließend beraten alle Beteiligten gleichberechtigt
- Er erhält ein Veto-Recht für die finale Entscheidung, um seine fachliche Autorität zu sichern
Er behält seine Rolle als Wissensträger – gibt aber Raum für Austausch und Teamleistung.
Das grundlegende Prinzip
Konflikte lassen sich leichter lösen, wenn der Projektmanager zwei Dinge trennt:
- Das Sachthema, über das gestritten wird
- Das Selbstkonzept des Gegenübers
Statt den Widerstand zu erhöhen, wird das Selbstkonzept an einem „edleren“ Punkt erfüllt. Der Stakeholder kann seine Position ändern, ohne Statusverlust zu erleben.
So entstehen Lösungen, die:
- den Konflikt entschärfen
- das Projekt voranbringen
- die Beziehung stärken
- und jedem Beteiligten einen Gewinn bieten
Was als „Gewinn“ empfunden wird, hängt wiederum von den individuellen Selbstkonzepten ab – und genau darin liegt die Kunst erfolgreicher Projektführung.

