Stress im Projektmanagement – erkennen, steuern, vorbeugen

Um ambitionierte und innovative Projektziele zu erreichen, müssen Teams mit begrenzten Ressourcen in kurzer Zeit neue Wege gehen. Diese Situation belastet jedes Projektmitglied – fachlich, organisatorisch und emotional. Zwei wesentliche Faktoren beeinflussen dabei, wie Stress wahrgenommen wird und wie leistungsfähig ein Team bleibt. Der erfolgreiche Projektmanager erkennt diese Faktoren und steuert sie bewusst.
Eustress und Disstress: Zwei Seiten derselben Medaille
Eustress – der motivierende Stress
Manche Aufgaben sind herausfordernd und gleichzeitig spannend. Sie aktivieren Energie, motivieren und fördern Kreativität. Dieser positiv wahrgenommene Stress wird als Eustress bezeichnet.
Selbst wenn hoher Einsatz erforderlich ist, wirkt Eustress leistungssteigernd.
Disstress – der belastende Stress
Stimmen Fähigkeiten, Interessen oder Ressourcen nicht mit der Aufgabe überein, entsteht Disstress – eine negative Stressform, die zu Ermüdung, Überforderung und Leistungsabfall führt.
Wichtig:
Auch zu viel positiver Stress führt langfristig zu Disstress, wenn die Aufgabenmenge dauerhaft zu groß ist.
Fließende Grenzen
Im Alltag sind kurze Phasen unangenehmer Aufgaben unproblematisch.
Gefährlich wird es erst, wenn Projektmitglieder über längere Zeit dominierend unter Disstress stehen – dann drohen Fehlentscheidungen, Ausfälle und ein massiver Schaden für das Projekt.
Die Rolle des Projektmanagers: Aufgaben passend verteilen
Um Disstress zu vermeiden, achtet der Projektmanager auf eine psychologische Kompatibilität zwischen Aufgaben und Teammitgliedern.
Dabei spielen zwei Kriterien eine Rolle:
- Freiwilligkeit: Aufgaben, die freiwillig übernommen werden, belasten weniger
- Stärkenorientierung: Jeder arbeitet möglichst in Bereichen, in denen Kompetenzen und Interessen übereinstimmen.
Der „Stressman“: Ein einfaches Analyse-Tool für Projektteams
Zur Bewertung des aktuellen Stressniveaus nutzt der Projektmanager den sogenannten Stressman.
Teammitglieder ordnen alle Aufgaben der vergangenen Woche drei Kategorien zu:
- Eustress
- Disstress
- Übergang
Zeigt die Verteilung ein kritisches Muster, werden gemeinsam Gegenmaßnahmen entwickelt.
Ist das Bild unklar, kann eine vierwöchige Analyse zusätzliche Erkenntnisse liefern. Auch die Gespräche im Rahmen der Auswertung führen häufig zu neuen Einsichten und ermöglichen eine bessere Aufgabenverteilung oder Anpassung der Arbeitsbedingungen.
Prävention: Das Gedankenmodell „Der Fluss des Lebens“
Neben der kurzfristigen Analyse gibt es ein langfristiges mentales Modell, das hilft, Disstress zu vermeiden: Der Fluss des Lebens.
Unbeeinflussbare Ereignisse erkennen
Im Leben wirken zahlreiche zufällige Ereignisse auf uns ein – viele davon sind nicht steuerbar. Diese gehören in einen mentalen Bereich, mit dem sich der erfolgreiche Projektmanager nicht emotional identifiziert.
Beispiel:
Das Wetter ändert sich während eines Arbeitstags ständig und widerspricht manchmal sogar der Vorhersage.
Gedanken wie:
„Dass es regnet, ärgert mich.“
bauen eine emotionale Verbindung zu etwas auf, das wir nicht ändern können.
Jede dieser Verbindungen wirkt wie eine „Brücke“, über die äußere Zufälle negativen Stress ins Innere hineintragen.
Brücken wieder einreißen – mit einer Kernfrage
Um diese Brücken zu entfernen, stellt sich der Projektmanager eine zentrale Frage:
„Ist ES Teil des großen Ganzen?“
Am Beispiel Regen lautet die Antwort klar: Nein.
Der Regen hat keinen Einfluss auf die übergeordneten Ziele.
Eine angemessene Reaktion wäre daher einfach: Regenschirm mitnehmen, weitermachen, Haltung bewahren.
Das Ziel des Modells ist es, Zufälle zu managen, statt sie emotional eindringen zu lassen. So bleibt der Geist frei von unnötigem Disstress.
Fazit
Stress ist im Projektgeschäft unvermeidbar – aber er ist steuerbar.
Durch klare Analyse, bewusstes Aufgabenmanagement und mental starke Modelle wie den „Fluss des Lebens“ bleibt der Projektmanager leistungsfähig und schützt das Team vor Überlastung.
Es geht nicht darum, Stress zu vermeiden, sondern ihn richtig einzuordnen und aktiv zu steuern.

